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Dr. Nikolaus von Bomhard

Aufsichtsratsvorsitzender der Münchener Rück AG

Der Klimawandel ist eine, wenn nicht die Schicksalsfrage heutiger und kommender Generationen. Anders als eine einzelne Pandemie wirkt er langsam, dafür aber sehr stetig, und ist nur schwer zu beherrschen. Immerhin steht er höher auf der weltpolitischen Agenda als jemals zuvor. Das gibt Hoffnung, dass die Weltgemeinschaft das Umsteuern bewältigt. Aber Teilen der Politik fehlt es noch immer an Entschlossenheit. Mehr noch: Oft fehlen verlässliche, also auf lange Sicht angelegte Pläne, an denen Zivilgesellschaft und Wirtschaft ihre Entscheidungen und Prioritäten ausrichten können. 

Ein Rückblick: 1973, Jom-Kippur-Krieg im Nahen Osten, Ölpreisschock. In Deutschland spazierten Menschen über Autobahnen ohne Autos. Ich besuchte die 12. Klasse des Gymnasiums. Wenig schlagzeilenträchtig veröffentlichte Munich Re im selben Jahr die Broschüre „Hochwasser – Überschwemmung“, eine Ausarbeitung gestützt auf versicherungsmathematische Berechnungen. Bemerkenswert war damals die Aussage, dass Treibhausgase das Erdklima erwärmen und die Auswirkungen dieser Erwärmung auf wetterbedingte Naturkatastrophen dringend zu erforschen sind.

Die Wissenschaft vermag immer besser zu belegen, wie der Klimawandel Wettermuster und damit Naturkatastrophen beeinflusst, jetzt schon und nicht erst in Jahrzehnten. Forscher analysieren einzelne Katastrophen und entwickeln Modelle für Prognosen. So lieferte die sogenannte „rapid attribution“-Forschung zuletzt Hinweise dafür, dass verheerende Hochwasser wie 2021 im Westen Deutschlands durch den Klimawandel wahrscheinlicher geworden sind. Diese extremen Sturzfluten waren mit Schäden von 46 Mrd. € – davon 33 Mrd. € in Deutschland – die bislang teuerste Naturkatastrophe in Europa. 

Weltweit verursachen Wetterkatastrophen gegenwärtig Schäden in der Größenordnung von 200-300 Mrd. US$, wohlgemerkt pro Jahr. Das Schadenpotenzial wird künftig nochmals deutlich zunehmen, nicht nur wegen steigender Werte, sondern infolge häufigerer Hochwasser, stärkerer Flutwellen bei steigendem Meeresspiegel oder durch Dürren und Waldbrände.
 
Bislang lassen sich die direkten Schäden „durch“ den Klimawandel nicht genau beziffern, denn Wetterkatastrophen traten schon immer auf. Forschungsergebnisse zeigen aber, dass ein Nichthandeln über die Zeit finanziell – nicht zu reden von den humanitären Folgen – spürbar mehr makroökonomische Kosten erzeugt als der – auch nicht für billiges Geld – zu gestaltende Umbau hin zu einer klimafreundlicheren Gesellschaft und Wirtschaft. 

Versichern erfordert wissensbasiertes Handeln. Seinerzeit stellte Munich Re konsequenterweise Naturwissenschaftler ein, die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten Naturkatastrophen-Statistiken aufbauten, sie analysierten und damit auch die Auswirkungen des Klimawandels durchleuchteten. Zwei dieser Wissenschaftler wirkten mit tausenden anderen Forschern an den Klimaberichten des Weltklimarates IPCC mit, der 2007 sogar mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

 

Bei Munich Re habe ich, beginnend 1985, mein gesamtes berufliches Leben verbracht. Damit war der Klimawandel für mich schon früh ein Thema. In der Theorie der Versicherung gilt der Klimawandel als „Änderungsrisiko“. Die anstehenden Fragen lauteten: Wie lassen sich die mit dem Wetter verbundenen Schäden zukünftig einschätzen, wie kann man diese versichern und rückversichern? Lässt sich dafür ein Preis bestimmen, der zugleich als Grundlage für die Bewertung von Maßnahmen 
zur Schadenprävention dient? Kann – oder muss – mein Unternehmen sein stetig wachsendes Wissen in der Öffentlichkeit vortragen?

Die Assekuranz – Versicherungsbranche – als Teil der Finanzwirtschaft hat mit Blick auf den Klimawandel und seine Folgen vor allem zwei Funktionen: Sie kann über das Versichern der oft katastrophalen Schäden stabilisierend auf ganze Volkswirtschaften wirken, da die für einen Wiederaufbau nötigen Mittel schnell zur Verfügung stehen; zugleich ist die Assekuranz ein wichtiger Berater rund um alle Fragen der Prävention, sie liefert hier auch die zuvor erwähnten „Preisschilder“. 

Zum anderen wirken Versicherer als Schrittmacher, wenn sie beispielsweise neuartige Technologien, die für den Wechsel auf erneuerbare Energien entwickelt werden, von Anfang an fördern. Wenn sie sie eng begleiten, sei es über Versicherungsschutz, Garantien für deren Leistungsfähigkeit oder schlicht die Finanzierung. 

Die Politik setzt beim notwendigen Umbau der Wirtschaft stark auf die Unterstützung der Finanzindustrie, man denke nur an die Regelungen der EU-Taxonomie. In der Folge erwarten Aufsichtsbehörden und Investoren, dass die Klimarisiken eines Unternehmens beschrieben und quantifiziert werden und das unternehmerische Handeln erkennbar an diesen Risiken ausgerichtet wird. 

Vor uns steht die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in eine klimaneutrale Zukunft. Die Finanzwirtschaft wird Treiber der Transformation sein, wenn die Politik dafür klare und verlässliche Rahmenbedingungen setzt, national und international. Das beginnt bei der Regulierung und reicht bis zur Bepreisung von CO2 einschließlich des Handels mit Emissions-Zertifikaten. Dabei sollte die Politik technologieoffen agieren, kann aber sehr wohl durch staatliche Förderung im Rahmen der international zulässigen Standards unterstützen. Für die gesellschaftliche Akzeptanz wird es zugleich wichtig sein, soziale Härten auszugleichen, um die mit dem Umbau der Wirtschaft verbundenen Kosten leistungsgerecht zu verteilen. 

Jeder wird zum Umbau von Gesellschaft und Wirtschaft beitragen müssen. Die Unternehmen können gewichtige Beiträge erbringen, je nach Branche unterschiedlich. Je klarer die Politik sich positioniert, desto umfassender werden sie bei Wirtschaft und Bürgern ausfallen können. Und für den dafür notwendigen Austausch mit der Politik und eine konstruktive Suche nach Lösungen zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, basierend auf einer soliden wissenschaftlichen Basis, stehen Deutschlands Zukunftsweisen und damit auch ich.

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