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Lawrence Leuschner

CEO TIER und Gründer von Blue Impact Ventures

Unsere Beziehung zur Natur beruht auf einem Geben und Nehmen, das im Gleichgewicht gehalten werden muss. Jedoch haben wir uns zu lange auf das Nehmen konzentriert und dabei den Planeten so schwer geschädigt, dass überlebenswichtige natürliche Systeme zusammenbrechen könnten. Das muss jetzt aufhören. Wir müssen unseren persönlichen Ressourcen-Fußabdruck deutlich verringern und gleichzeitig innovative Lösungen zur Dekarbonisierung unserer Wirtschaft finden und fördern.

Seit ich denken kann, beschäftigt mich der verschwenderische Umgang mit Ressourcen. Im Alter von neun Jahren entdeckte ich beim Stöbern im Lager meines Vaters einen großen Haufen "Kundenrückläufer", die darauf warteten, entsorgt zu werden. Seine Erklärung, dass diese handgefertigten Produkte wegen kleiner Mängel "wertlos" seien, überzeugte mich nicht. "Was für die einen keinen Wert hat, kann für die anderen sehr wohl einen Wert haben", entgegnete ich. Unverzüglich begann ich, meine arme Mutter zu drängen, mich zum Flohmarkt zu fahren, der sich bald zu meinem neuen Spielplatz entwickelte. In den nächsten Jahren verbrachte ich Hunderte Stunden mit Marketing, Verhandlungen, Preisnachlässen und dem Aufbau von Beziehungen zu Kunden, die viel Freude an den Produkten hatten, die ursprünglich für den Müll bestimmt waren. Damit war der Grundstein für mein erstes Unternehmen Trade-a-Game gelegt - eine Internetplattform, die ich nach der Schule gründete, um gebrauchte Videospiele zu handeln. Das Geschäft nahm eine neue Wendung, als einige Jahre später Al Gores "Eine unbequeme Wahrheit" einen tiefen Eindruck bei mir hinterließ. Unter dem Namen reBuy erweiterten wir das Produktportfolio. Wir bauten das Unternehmen auf über 700 Mitarbeiter aus, überholten und verkauften 100 Millionen Elektronikprodukte, erwirtschafteten einen Umsatz von über 200 Millionen Euro und wurden so zu Europas größter Kreislaufwirtschafts-Plattform. Der Umfang, die Komplexität und die Verantwortlichkeiten waren um ein Vielfaches größer, aber die Motivation war seit meinen bescheidenen Anfängen auf dem Flohmarkt dieselbe geblieben - Produkten ein "zweites Leben" zu geben.

Als ich nach einer neuen Herausforderung suchte, begab ich mich auf eine Weltreise, um mich wieder mit der Natur zu verbinden sowie die Ursachen und Folgen des Klimawandels zu erforschen. Das nächste Problem das ich in Angriff nehmen wollte fand ich in den ausufernden Metropolen der US-Westküste. Hier wurde mir mehr als je zuvor die Dominanz des Autos in unseren Städten bewusst. Mehrspurige Autobahnen, ein Übermaß an Parkplätzen und benzinschluckende Verbrennungsmotoren raubten den Bewohnern Lebensraum und Luftqualität. Darüber hinaus stellten Mobilität und Verkehr einen der vier wichtigsten Treiber des Klimawandels dar. Mir wurde klar, dass die Zukunft des Verkehrs geteilt und effizient statt privat und unausgelastet, elektrisch und nicht fossil angetrieben, menschengerecht und nicht menschenschädlich sein würde. Dies wurde die Motivation hinter TIER - einer Sharing-Plattform für Elektrofahrzeuge, um die Abhängigkeit vom Auto zu beenden. Wir starteten 2018 in Berlin mit der Überzeugung, dass wir unsere urbanen Zentren von der Dominanz der Autos befreien, unsere Städte auf die Bedürfnisse ihrer Bewohner ausrichten und zu einer allgemein nachhaltigeren Gesellschaft übergehen können. Unsere Mission wurde "to change mobility for good", also Mobilität für immer zu verbessern. Bis heute sind wir auf über 100,000 Elektrofahrzeuge in 130 Städten angewachsen, haben über 25 Millionen Kilometer an Autofahrten ersetzt und dadurch geschätzte 4,000 Tonnen CO2 eingespart. Den begehrten "Einhorn"-Status erreichte TIER schneller als jedes andere kontinentaleuropäische Unternehmen vor uns. Darüber hinaus wurde TIER von den Vereinten Nationen in die Liste der 50 weltweit führenden Unternehmen im Bereich des Klimaschutzes aufgenommen. Durch strenge Überwachungs-, Wartungs- und Reparaturverfahren haben wir die Lebensdauer unserer Fahrzeuge auf Bestwerte für die Industrie verlängert (5+ Jahre). Damit unsere Hardware und Batterien für alternative Einsatzzwecke geeignet sind, haben wir Aufbereitungs- und Recycling-Maßnahmen eingeführt.

Der Rückblick auf die Entwicklung von reBuy und TIER hat mich zu zwei wichtigen Erkenntnissen gebracht. Positiv ist, dass Umweltbewusstsein und Zukunftsorientierung nicht auf Kosten des wirtschaftlichen Erfolgs gehen. Stattdessen habe ich zunehmend das Gegenteil festgestellt. Die zweite Erkenntnis ist eher ernüchternd: Die Auswirkungen meiner Unternehmen, sowie jedes einzelnen Unternehmens, sind im Vergleich zu den gewaltigen klimatischen Herausforderungen, die vor uns liegen, verschwindend gering. Angesichts von über 50 Milliarden Tonnen Treibhausgasen, die jedes Jahr in die Atmosphäre gelangen, müssen wir alle Industriezweige rasch dekarbonisieren und unsere bestehenden Kapazitäten zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre exponentiell steigern. Diese Erkenntnisse haben dazu geführt, dass ich meine gesamte Beteiligung an TIER in Blue Impact eingebracht habe - einen Fonds, der in eine neue Generation von klimabewussten Gründern investiert. Der Fonds ist so konzipiert, dass keine persönlichen Auszahlung vorgenommen werden können. Stattdessen werden alle finanziellen Rückflüsse in neue Unternehmen reinvestiert, um einen positiven Kreislauf in Gang zu setzen. Blue Impact unterstützt unter anderem Firmen die Privatpersonen und Unternehmen beim Ausgleich ihres CO2-Fußabdrucks zu helfen (Klima, Planetly), regenerative Landwirtschaft zu verbreiten und landwirtschaftliche Flächen als Kohlenstoffsenke wiederherzustellen (Carbon Farmed), die Energieeffizienz von Gebäuden zu erhöhen (Infogrid, Thermulon), Lieferungen auf der letzten Meile umweltfreundlicher zu gestalten (Hived, Liefergrün), und den Kauf und die Nutzung von Solarzellen zu vereinfachen (Enpal). Diese Unternehmen und ihre außergewöhnlichen Gründer haben das Potenzial, in ihren jeweiligen Branchen führend zu werden, so wie reBuy und TIER es in ihrer Branche sind. Auf diese Weise werden sie den Übergang zu einer Netto-Null-Zukunft beschleunigen und uns helfen, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.
 

Unternehmerische Innovationen, unterstützt durch privates Kapital, ist eine zentrale Voraussetzung für eine Netto-Null-Wirtschaft. Aber eine konstruktive Politik und ein entsprechendes regulatorisches Umfeld sind ebenso erforderlich. Anreize und Subventionen, die den kohlenstoffintensiven Status quo belohnen, müssen abgeschafft werden, während neue Maßnahmen eingeführt werden müssen, um nachhaltiges und innovatives Handeln zu belohnen. Dies ist meine Bitte an die nächste Bundesregierung.

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