
Simone Menne
Aufsichtsrätin bei DPDHL, Henkel, Johnson Controls International
und Russell Reynolds
Kein Industriezweig wird von den Herausforderungen des Klimawandels verschont bleiben. Nur Unternehmen, die langfristig planen, strategisch in neue Technologien investieren und neue Geschäftsmodelle umsetzen, können ihren zukünftigen Erfolg sichern. Dafür brauchen sie aber auch die entsprechenden Rahmenbedingungen, die sie dabei unterstützen, dringend notwendige, nachhaltige Innovationen rechtzeitig umzusetzen.
Ich durfte in meinen Vorstands- und Aufsichtsratspositionen verschiedenste Branchen kennenlernen: von Automobil (BMW) über Logistik (Deutsche Post DHL) bis zu Pharma (Boehringer Ingelheim). Den Großteil meiner Karriere habe ich allerdings in der Luftfahrtindustrie verbracht, unter anderem als Finanzchefin bei der Deutschen Lufthansa. Und genau diese Branche steht beim Klimawandel vor besonderen Herausforderungen. Denn die Elektrifizierung mit Strom aus emissionsarmen Quellen ist zwar für den Straßenverkehr (Batterien) und den Schienenverkehr (elektrische Netze) hoch effizient. Leider sind aber sowohl die Luftfahrt als auch die Schifffahrt aller Wahrscheinlichkeit nach nicht durch batteriegespeiste Elektroantriebe zu versorgen. Wir brauchen
für Flugzeuge und Schiffe daher dringend alternative emissionsarme Kraftstoffe, zumal sie zusammen fast ein Viertel der Emissionen des Transportsektors verursachen.
Als Finanzvorstand bei Lufthansa habe ich daher bereits 2013 eine strategische Kooperation mit einem deutschen Startup für synthetische Kraftstoffe unterstützt. Leider bleiben Investitionen in Forschung und Pilotprojekte jedoch bis heute hinter der Dimension der Aufgabe zurück. Fluggesellschaften wollen zwar die Möglichkeit, klimaneutrale Kraftstoffe zu kaufen, um ihre langfristige Zukunft zu sichern. Gleichzeitig stehen sie aber im knallharten Wettbewerb um preisbewusste Kunden. Um Schritt zu halten, investieren sie hunderte Millionen Euro in moderne, effizientere Flugzeuge. Dagegen können sie sich spekulative Investitionen in Technologien außerhalb ihres Kerngeschäftes kaum erlauben, zumal wenn diese noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium sind und die Zeitleiste für den Technologiewandel mit hohen Unsicherheiten belastet ist.
Andererseits haben Förderer und Verarbeiter von fossilen Brennstoffen zwar Expertise und Infrastruktur für die Herstellung von Kraftstoffen, aber verständlicherweise wenig Interesse, ihr bisheriges Geschäftsmodell zu untergraben. Zudem sind synthetische Kraftstoffe noch um ein Vielfaches teurer als Kerosin, daher ist zunächst mit wenig Nachfrage zu rechnen. Und ohne eine Planungsperspektive für den entstehenden Markt tut sich jeder Investor schwer, das erforderliche Kapital für die Entwicklung und Produktion synthetischer Kraftstoffe zu mobilisieren. Deshalb brauchen wir eine gute Regulatorik, die den notwendigen Markt für die emissionsarmen Alternativen schafft, so wie sie aktuell die Rahmenbedingungen für den Kerosinmarkt absteckt (u.a. weitgehende Abgabenfreiheit für Kerosin).
Zu diesem staatlichen Regelwerk gehört zum Beispiel die Einführung von Mindeststandards zur Nutzung emissionsarmer und -freier Kraftstoffe in der Luft- und Schifffahrt. Mit einem klaren Zeitplan könnten diese Standards einen technologieoffenen Anreiz für Investitionen setzen. Da die Dekarbonisierung dieser wichtigen Transportmittel im gesamtgesellschaftlichen Interesse ist, sollten Regierungen auch gezielte Maßnahmen setzen, damit nötige Fortschritte erreicht und ausreichend synthetische Kraftstoffe produziert werden. Das könnten zum Beispiel Partnerschaften zwischen Forschung, Unternehmen und Regierung sein, aber auch eine gezielte finanzielle Förderung. Die nächste Bundesregierung kann hierfür nicht nur national, sondern auch auf EU-Ebene und weltweit eintreten.
Obwohl die Herausforderungen der Dekarbonisierung immens sind, bin ich dennoch optimistisch. Es mangelt uns nicht an cleveren Ideen und Leuten, die Industrien neu und besser erfinden wollen. Oft fehlen nur die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, um Innovationskraft und Kapital erfolgreich zu katalysieren.